Halbjahresbilanz zu den Eingliederungsleistungen des Hamburger Jobcenters für das 1. Halbjahr 2025

Halbjahresbilanz zu den Eingliederungsleistungen des Hamburger Jobcenters für das 1. Halbjahr 2025
Das Hamburger Jobcenter leistete auch im 1. Halbjahr 2025 weniger als möglich zur Eingliederung der Langzeitarbeitslosen. So lässt sich das Ergebnis aus der Sicht der LAG Arbeit Hamburg zusammenfassen. Werden die Ausgaben des Jobcenters Hamburg in den ersten sechs Monaten 2025 jeweils der gezwölftelten Jahreszuweisung des Bundes für die Eingliederungsleistungen (EGL) gegenübergestellt, zeigt sich, dass das Jobcenter in jedem einzelnen Monat weniger als zugewiesen wurde verausgabt hat.
Auffällig dabei ist, dass im Januar 2025 weniger als die Hälfte der zugewiesenen Mittel verausgabt wurden, dafür im Dezember des Vorjahres aber knapp 8 Mio. € mehr als vorgegeben und sogar knapp 10 Mio. € mehr als im Durchschnitt der Monate Januar bis November 2024. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Im Dezember 2024 wurden Auszahlungen für fällige Leistungen, die erst im Januar 2025 fällig gewesen wären, vorgezogen. Dadurch wurden die für 2025 verfügbaren Haushaltsmittel entlastet. Eigentlich begrüßenswert, doch dass das möglich wurde, ist auf eine völlig unnötige Kürzung der Mittel für die Arbeitsgelegenheiten (AGH) zu Jahresbeginn 2024 zurückzuführen. Obwohl der Haushalt für das SGB II 2024 nach entsprechenden Nachverhandlungen schließlich nur geringe Mittelkürzungen für das SGB II vorgesehen hat, verfügte das Jobcenter bereits eine Woche nach Vorlage des ersten Haushaltsplanentwurfs durch Finanzminister Lindner im Juli 2023, dass die AGH zum 1.2.2024 von 1.600 auf 800 Plätze halbiert werden sollten und hielt an diesem Plan weitgehend fest. Dabei war absehbar, dass die Mittelkürzung nicht so stark ausfallen würde. Ergebnis: 680 AGH-Plätze wurden zum 1.2.2024 abgebaut, rund 10 Mio. € eingespart, die aber nicht – wie angekündigt – u.a. zur Kompensation durch einen Ausbau der §16i-Beschäftigung genutzt wurden, sondern nicht verwendet wurden und damit „den Deal“ ermöglicht haben, die Mittel für das Folgejahr zu nutzen. So wurden 2024 rund 30 AGH-Projekte, die 680 Menschen Weiterbeschäftigung zum Nutzen der bedürftigen Bevölkerung ermöglicht hätten, vernichtet!
Aber zurück ins Jahr 2025: Werden die tatsächlichen Ausgaben des 1. Halbjahres 2025 auf das gesamte Jahr zwecks Hochrechnung verdoppelt und den zugewiesenen Bundesmitteln gegenübergestellt, klafft mit 25 Mio. € eine noch größere Lücke zwischen Soll und Ist als im Vorjahr. Natürlich, es muss berücksichtigt werden, dass wohl knapp 8 Mio. € im Januar fehlen, weil diese bereits im Dezember bezahlt wurden. Selbst wenn wir aber deshalb 8 Mio. € bei den Ausgaben für das 2. Halbjahr aufschlagen, bleibt eine Lücke von 17 Mio. €!
Das Jobcenter hat nun gerade Ende Juni 2025 beschlossen, die Aktivitäten zur Eingliederung der Langzeitarbeitslosen zu erhöhen! Doch das Geld soll nicht für die langjährig arbeitslosen Zielgruppen eingesetzt werden. Stattdessen fördert das Jobcenter kurzfristige, nicht nachhaltige Formate, also Aktivierungs- und Bewerbungstrainings sowie andere kurze Maßnahmen. Hauptinteresse des Jobcenters: Diese Kurzläufermaßnahmen verursachen keine Mittelbindung über das Jahr hinaus, denn die Haushaltsdebatte für 2026 auf Bundesebene lässt die Absicht weiterer Kürzungen im SGB II erkennen. Und bereits für 2025 reichen die vom Bund bewilligten Verwaltungskosten (VWK) für die Jobcenter nicht aus, sodass Mittel aus dem Eingliederungstitel zweckentfremdet zu den Jobcenter-Verwaltungskosten übertragen werden müssen. Das wird vermutlich auch die aktuelle Sorge des Hamburger Jobcenters sein, denn während es 2023 und 2024 aufgrund der Bundeszuweisung zu den VWK für das Jobcenter Hamburg keine Probleme gab, die eigenen Verwaltungskosten zu decken und überschüssige Mittel (für 2024 nur planerisch) in die Eingliederungsleistungen umgewidmet werden konnten, sieht das für 2025 anders aus: Der Bundesanteil zu den Verwaltungskosten des Jobcenters Hamburg für 2025 beträgt nach dem aktuellen Beschluss der Bundesregierung 186,2 Mio. €, benötigt wurden aber bereits 2024 zur Abdeckung der Ist-Verwaltungskosten nach der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit (BA) 198,2 Mio. €. Da EGL- und VWK-Zuweisung des Bundes untereinander deckungsfähig sind, wird klar, weshalb das Jobcenter Hamburg weniger für die Eingliederungsleistungen ausgibt als vom Bund dafür zugewiesen wurden.
Das Jobcenter Hamburg hat im Juni 2025 verkündet, in diesem Jahr vor allem mehr Geld für die Kurzläufermaßnahmen zu investieren. Offiziell heißen sie „Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (MAbE)". Wie sieht es denn mit der Verteilung der Eingliederungsmittel auf die Instrumente des Jobcenters aus?
Wurden im Jahr 2024 für die MAbE im Monatsdurchschnitt rund 3,4 Mio. € verwendet, sind es im 1. Halbjahr 2025 bereits rund 4,4 Mio. € gewesen. Nun soll also noch mehr Geld zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung im Rahmen kurzzeitiger Maßnahmen verwendet werden. Diese Maßnahmen sind i.d.R. für Menschen vorgesehen, die neu in das SGB II gekommen sind. Menschen, die diese Maßnahmen längst durchlaufen haben und langzeitarbeitslos geblieben sind, kommen hierfür kaum in Betracht. Hinter der Bezeichnung „Förderung der beruflichen Weiterbildung“ (FbW) verbergen sich Umschulungen, die zu einem Berufsabschluss führen, und Fortbildungen – also Qualifizierungsmaßnahmen. Anhand der obigen Grafiken ist erkennbar, dass hierfür weniger EGL-Mittel verausgabt wurden, sogar mit beständig abnehmender Tendenz. Das liegt aber nur daran, dass diese Maßnahmen (zusammen mit den Reha-Maßnahmen, die zu den „übrigen“ EGL-Leistungen gerechnet werden) per 1.1.2025 in die beitragsfinanzierten SGB III-Leistungen verschoben wurden und in die EGL des Jobcenters nur noch die Kosten der bereits in 2024 oder früher begonnen Maßnahmen gelaufen sind. Der durchschnittliche Aufwand pro Monat für Beschäftigung schaffende Maßnahmen (BSM) – das sind Arbeitsgelegenheiten (AGH) und Lohnkostenzuschüsse für §16i-Beschäftigungsverhältnisse – ist gegenüber 2024 leicht von 2,73 auf 2,89 Mio.€ gestiegen, lag 2023 – also vor der AGH-Kürzung – aber noch bei 3,54 Mio. €.
Der Anteil dieser (Beschäftigungs-)Maßnahmen, die für Menschen in Betracht kommen, die nicht oder nicht mehr direkt in eine ungeförderte Beschäftigung gebracht werden können, soll nach der Zielvereinbarung zwischen Jobcenter und Träger dieser gemeinsamen Einrichtung – das sind Stadt und Bundesanstalt für Arbeit – bei 25% liegen. Dieses Ziel wurde aber in den allermeisten der zurückliegenden Jahre deutlich verfehlt, wie die nachfolgende Grafik zeigt. Ab 2025 müssten sich Jobcenter und Träger des Jobcenters durch den Wegfall der FbW- und Reha-Maßnahmen aus dem SGB II auf höhere Anteile für die verbleibenden Instrumente bei den gesamtem Eingliederungsleistungen verständigen.
Die obige Grafik zeigt auch, dass die Mittel für die beschäftigungsschaffenden Maßnahmen, die 2010 bis 2013 drastisch abgesenkt wurden, von 2018 bis 2023 wieder von 27 Mio. € auf 42 Mio. € gesteigert wurden. Allerdings wurde dabei die 25%-Zielmarke für die BSM nie erreicht. Grund dafür ist, dass mit der Einführung der §16i-Beschäftigung hierfür in jedem dieser Jahre rund 25 Mio. € mehr vom Bund nach Hamburg geflossen sind. Allerdings ohne diese Mittel mit einer Zweckbindung zu versehen, so dass dieses Geld zwar auch in die zu den BSM gehörigen AGH geflossen sind, nicht aber in angemessenem Umfang in den Aufbau der §16i-Maßnahmen. Überwiegend ohnehin in andere Maßnahmen. 2024 erfolgte dann der in der Grafik gut erkennbare drastische AGH-Abbau. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Bestandszahlen der BSM wider:
Die Bestandszahlen bei den beschäftigungsschaffenden Maßnahmen (BSM) zeigen nicht nur, dass es im Jahr 2025 mit durchschnittlich 2.232 Arbeitsplätzen nicht einmal ein Viertel so viele Arbeitsplätze wie im Jahr 2010 gegeben hat, sondern auch, dass seit der Einführung der §16i-Beschäftigung zum 1.1.2019 der Bestand der BSM-Beschäftigung in Hamburg sogar um 142 Arbeitsplätze (= -6%) abgenommen hat.
Dabei hat sich der Bedarf an Maßnahmen für Menschen, die sehr lange arbeitslos sind und die für Maßnahmen, die direkt in eine reguläre Beschäftigung führen sollen, nicht (mehr) in Betracht kommen, deutlich erhöht. Auch nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter ist es diesbezüglich weniger sinnvoll, auf die Entwicklung bei der Langzeitarbeitslosigkeit zu schauen, weil diese durch kurzzeitige Unterbrechungen beendet wird und neu anläuft, sondern besser die Dauer des Leistungsbezugs im SGB II in Betracht zu ziehen. Beides ist aber in den letzten zwei Jahren, in denen die Mittel und Bestandszahlen der beschäftigungsschaffenden Maßnahmen zurückgegangen sind, gestiegen!
Kurz vor Einführung der §16i-Beschäftigung in das SGB II zum 1.1.2019 lag die Zahl der Langzeitleistungsbeziehenden (LZB) bei 89.954 Personen. Hier wies die amtliche Statistik 53.009 Personen aus, die nicht 21 Monate innerhalb von 2 Jahren im Leistungsbezug des Jobcenters gestanden haben, sondern bereits mindestens 4 Jahre Leistungen bezogen, wie die nachfolgende Grafik zeigt. 4 Jahre oder länger waren 2024 dann schon 57.035 Personen (+7,6%) im Leistungsbezug des Jobcenters Hamburg. Für diesen Personenkreis, der von der BA-Statistik regelhaft erfasst wird, sollte ursprünglich die §16i-Beschäftigung ermöglicht werden, doch setzte sich bis zur Gesetzesverabschiedung durch, dass lediglich die Personen mit mindestens 6 Jahren Leistungsbezug innerhalb der letzten 7 Jahre in eine §16i-Beschäftigung gelangen können. Hierzu hat die Statistik-Abteilung der Bundesagentur für Arbeit dann einmalig in einer Sonderauswertung per Ende 2018 für Hamburg eine Untergrenze von 19.000 in Betracht kommende Personen ermittelt. Diese Zahl dürfte angesichts der o.g. regelhaft von der BA-Statistik ausgewiesenen Daten seither nicht gesunken sein. Bei 1.385 aktuell besetzten §16i-Arbeitsplätzen kommen also ca. 7,3% der Zielgruppe in den Genuss einer entsprechenden Beschäftigung.
Fazit:
Die Personengruppe, die bereits seit mehreren Jahren arbeitslos ist und Leistungen nach dem SGB II bezieht, wächst. Die Maßnahmen, die für diese Zielgruppe in Betracht kommen, um (wieder) in Arbeit zu gelangen oder um ihnen zumindest gesellschaftliche Teilhabe durch Arbeit zu ermöglichen, wurden trotz gegenteiliger Zielsetzungen abgebaut. Damit werden diese Menschen dauerhaft ins Abseits gestellt. Daneben werden sie gerade in der letzten Zeit als arbeitsscheu diffamiert, was zur gesellschaftlichen Spaltung beiträgt. Sicherlich können diese Menschen vorerst nicht zum Abbau des Fachkräftemangels beitragen, sie könnten aber nach einer gewissen Zeit vielfach Aufgaben übernehmen, für die zurzeit oftmals Fachkräfte eingesetzt werden. Stattdessen alimentiert die Gesellschaft das „Nichtstun“ mit immer höheren Kosten, da die Zahl dieser Menschen wächst. Und die Politik möchte offenbar den Druck auf diese Menschen dadurch erhöhen, dass sie deren materielle Existenzsicherung in Frage stellt, um sie in Arbeit zu zwingen. Da die Wirtschaft für diese Menschen keine Arbeitsplätze zu bieten hat, wird diese Strategie nicht erfolgreich sein können. Vielmehr muss die Politik etwas für diese Menschen tun, damit sie sich dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder annähern können. Knappe Mittel und Bürokratisierung haben dazu geführt, dass die Verwaltung aufgebläht ist und real immer weniger für die Langzeitarbeitslosen getan wird. Der Bundesanteil an den Verwaltungskosten der Jobcenter ist seit ihrer Gründung im Jahr 2005 von rd. 3 Mrd. € auf 6,5 Mrd. € in 2024 gestiegen, die Eingliederungsleistungen dagegen von knapp 3,6 Mrd. auf 3,7 Mrd. € - ohne Inflationsbereinigung! Eine Besserung ist leider nicht in Sicht!
Hamburg, im Juli 2025
Vorstand und Geschäftsführung der LAG Arbeit Hamburg
Sandra Kloke, Petra Lafferentz, Karen Risse, Bernd Schröder
2025-07- LAG Arbeit Halbjahresbilanz zu den Eingliederungsleistungen des Hamburger Jobcenters.pdf