Stellungnahmen des Bundesnetzwerks zu Koalitionsverhandlungen im Bund

Das Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe erkennt in den im Abschnitt III. Arbeit und Soziales formulierten Ergebnissen der Sondierungen von CDU, CSU und SPD positive, aber auch kritische Entwicklungen. Es besteht Änderungsbedarf im Rahmen der Koalitionsverhandlungen.
Die Schwerpunktsetzung auf die aktive Arbeitsmarktpolitik ist sehr wichtig, um nicht passiv Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Eine Sicherstellung, dass die Jobcenter für die Eingliederung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, ist eine wesentliche Grundlage für wirksame Integrationsarbeit. Das muss aber auch bedeuten, dass ausreichend Mittel für die Verwaltungskosten der Jobcenter zur Verfügung gestellt werden. Anderenfalls müssten die Jobcenter weiterhin in erheblichem Umfang Umverteilungen aus dem Budget für Eingliederungsleistungen (EGL) in das Budget für Verwaltungskosten (VWK) vornehmen. Eine zu geringe Finanzierung der Verwaltungskosten hätte aufgrund der deckungsfähigen Haushaltsansätze negative Auswirkungen auf den Umfang der finanziellen Mittel für Eingliederungsleistungen. Alternativ müsste die Deckungsfähigkeit aufgehoben werden.
Der Ansatz, für diejenigen, die aufgrund von Vermittlungshemmnissen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, durch Qualifizierung eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ist nur zum Teil richtig. Der Abbau von Vermittlungshemmnissen erfordert stets den individuell passenden Einsatz von Förderung. Qualifizierung allein wird in der Regel nicht ausreichen, oft ist sie auch erst dann möglich, wenn bereits z. B. durch geförderte und gemeinwohlorientierte Beschäftigung in Verbindung mit ganzheitlicher Betreuung oder Jobcoaching an die individuell passende Qualifizierung herangeführt wurde und dadurch einige Vermittlungshemmnisse abgebaut wurden.
Der Vermittlungsvorrang für Erwerbsfähige führte in der Vergangenheit oft zur Beschäftigung von nur kurzer Dauer, dem klassischen „Drehtüreffekt“. Die schnellstmögliche Aufnahme einer nicht passenden Beschäftigung, um Sanktionen zu verhindern, führt sehr selten zur dauerhaften Integration sondern meist kurzfristig zu erneuter Arbeitslosigkeit.
Für die laufenden Koalitionsverhandlungen erwarten wir, dass die positiven Ansätze aus den Sondierungen weiter ausgebaut und die identifizierten kritischen Punkte geändert werden. Wie in einem Schreiben an die neuen Bundestagsabgeordneten – gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA) im Deutschen Caritasverband und dem Evangelischen Fachverband Arbeit und Soziale Integration e. V. (EFAS) – bereits dargelegt, ist zur Sicherung der sozialen Teilhabe und Arbeitsmarktintegration der Ausbau attraktiver und zielgerichteter Arbeitsangebote, die bedarfsgerechte Finanzierung sowie Planungssicherheit der Jobcenter, die Sicherung des Teilhabechancengesetzes sowie die praxisnahe, effektive Gestaltung von Arbeitsgelegenheiten notwendig. Wir fordern die Beteiligten in den Koalitionsverhandlungen auf, diese Kernanliegen in den weiteren Gesprächen umfassend zu berücksichtigen.
Zum Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe:
Das Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe ist ein Verbund von rund 260 Sozialunternehmen, organisiert in Landesverbänden und Arbeitsgemeinschaften in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die in den Organisationen tätigen Praktiker*innen sammeln seit vielen Jahren wertvolle Erfahrungen im Umgang mit (langzeit-)arbeitslosen Menschen und bei der Umsetzung von Angeboten zur Aktivierung, Ausbildung, Weiterbildung und Beschäftigung. Im Bundesnetzwerk wird diese langjährige Erfahrung und Expertise zentral gebündelt.